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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Dafür bedürfte es keines Kulturparks“

Der 1. Vorstand des Stadtjugendrings Raphael Brandmiller und der Popkulturbeauftragte der Stadt Augsburg Richard Goerlich haben den Kulturpark West ins Gerede gebracht. Es gebe ein starkes Vakuum zwischen Sein und sein wollen, so Goerlich. Brandmiller plädiert im DAZ-Interview indirekt dafür, dass die Stadt in die Gestaltungsmöglichkeiten des Kulturparks mit einbezogen wird, da der Kulturpark in der Sommestraße in Kriegshaber eine gigantische Chance für die Stadt und ihre kreative Entwicklung sein könnte.

DAZ: Herr Goerlich, Sie haben Mitte April eine ketzerische Frage in die Stadt gestreut. „Kulturpark West: Kreativer Nukleus oder vernachlässigte Ressource?“, so der Überbau einer Podiumsdiskussion im Rahmen der von Ihnen veranstalteten Tagung „Plattform Kreative Stadt 2“ im Rahmen des Modularfestivals. In der Fragestellung steckt offensichtlich das Motiv der Hinterfragung. Sie evozierten dadurch die Vermutung , dass aus ihrer Sicht zwischen dem, was der Kulturpark sein sollte, und dem, was er ist, eine Lücke klafft.

Richard Goerlich

Richard Goerlich


Goerlich: Bestehendes konstruktiv zu hinterfragen ist in einer modernen kommunalen Kulturarbeit unabdinglich. Dies gilt auch für den Kulturpark West. Hier sehe ich zunächst ein unfassbar großes Potenzial für Augsburg. Bei genauerem Hinsehen stelle ich aber auch ein starkes Vakuum zwischen „sein“ und „sein wollen“ fest. Damit meine ich im Übrigen nicht meinen Willen, sondern die Absichtserklärungen des KuPa West und seiner Macher. Der KuPa will ein modernes Zentrum für Creative Cultures sein – und das ist er meiner Ansicht nach derzeit nicht. Ich wollte mit meinem Tagungsbeitrag eine konstruktive Diskussion anstoßen, wie wir gemeinsam ans Ziel kommen können. Und ich habe mit Robin Lemmers, dem Geschäftsführer des europaweit beachteten „Muziekmakers Centrum“ in Amsterdam, einen Fachmann eingeladen, der ein Beispiel gesetzt hat, wie so etwas geht.

DAZ: Ist das nicht ein eher theoretisches Lamentieren eines Zuspätkommers? Die Stadt hat mit der gGmbH Kulturpark West einen 10-jährigen Pachtvertrag abgeschlossen. Das Konzept und der dazu getroffene Stadtratsbeschluss sehen eine Nutzung der Räumlichkeiten in erster Linie für Hobbykünstler und No- bzw. Low-Budget-Initiativen vor. Es gibt Mietverträge. Der Zug für eine Intervention im Sinne einer künstlerischen Intendanz im Kulturpark ist doch längst abgefahren.

Große Oper: „Tom Dumm“ im Kulturpark West

Große Oper: „Tom Dumm“ im Kulturpark West


Goerlich: Hier wurde in der Grundkonzeption wohl ob einer gewissen Eile eine Notwendigkeit versäumt – diese mit künstlerischer Leitung zu umreißen halte ich für einen guten Gedanken. Aber ich habe durchaus gute Gespräche mit Peter Bommas geführt, der eine solche Notwendigkeit durchaus sieht. Wir haben kürzlich bei der „Mehr Musik!“-Aufführung von „Tom Dumm“ gesehen, was der Kulturpark wirklich kann und sein kann. Eine Hobbyraumvermietung finde ich unspannend.

DAZ: Von der SPD und den Grünen wird Ihnen implizit vorgehalten, dass Sie in der Angelegenheit Kulturpark als Speerspitze von Peter Grab agieren, der politische Interessen verfolge, nämlich dem Kulturpark, politisch ein bis jetzt 100prozentiger Erfolg des Regenbogens, mit ein paar Stellschrauben seinen politischen Stempel aufzudrücken.

Goerlich: Ich habe mehrfach, auch auf der Tagung „Plattform Kreative Stadt 2“, betont, dass ich den KuPa West für ein gutes Verdienst der rot-grünen Regierung halte. Aber: Ich halte es für nachlässig und auf eine irgendwie absurde Weise konservativ, jetzt alles so lassen zu wollen, wie es ist. Ich würde gerne aktiv mitgestalten, um das genannte Vakuum im Sinne eines wirklichen Zentrums für creative cultures zu schließen.

DAZ: Herr Goerlich, als Popkulturbeauftragter der Stadt sitzen Sie offenbar mit ihrer Positionierung in dieser Angelegenheit zwischen allen Stühlen. Die ehemalige Rathausregierung steht hinter der gGmbH Kulturpark West und verteidigt den Kulturpark so, wie er ist. Kulturreferent Peter Grab sieht bei den Richtlinien der Raumvergabe Umsetzungsdefizite. Er möchte eine stärkere Priorisierung zu Gunsten der „Hobbykünstler“. „Also das, worum es im Kulturpark West von Anfang an gehen sollte“, wie er wörtlich sagt. Sie wollen, wenn ich das richtig verstanden habe, eine stärkere inhaltliche Ausrichtung, ambitionierte Künstler, die im Kulturpark möglicherweise eine berufliche Existenz anstreben, mehr künstlerische Substanz. Stehen Sie damit nicht nur im Widerspruch zur ursprünglichen Konzeption des Kulturparks und somit auch zur Rathausopposition, sondern auch zu dem, was Kulturreferent Grab erwirken möchte?

Goerlich: Ich habe auch als Popkulturbeauftragter der Stadt eine eigene Meinung. Und diese lautet: Ja, ich hielte ein künstlerisches / kreativwirtschaftliches Gründerzentrum, wie uns dies Städte wie Stuttgart mit temporären kulturellen Nutzungen städtischer Liegenschaften vormachen, für sehr sinnvoll. Ich wiederhole: Eine hobby-orientierte Raumvermietung an Bands und Künstler hat ihre Berechtigung, finde ich angesichts des Potenzials des Areals Kulturpark aber eine vertane Chance.

Raphael Brandmiller

Raphael Brandmiller


DAZ: Herr Brandmiller, als Vorsitzender des Stadtjugendrings sind Sie Mieter im Kulturpark. Der SJR hat dort im Haus der Verbände und Vereine eine Dependance. Wozu?

Brandmiller: Wir haben im Kulturpark drei verschiedene Nutzungen: Erstens das Fanprojekt des FC Augsburg. Es war eine bewusste Entscheidung, mit dem Fanprojekt in den Kulturpark zu gehen. Auch Fankultur ist ein Teil von Pop- und Jugendkultur. Daneben wollen wir die Infrastruktur für vielfältige Aktionen nutzen. Zweitens sind im Kulturpark die Räume des Verleihservice untergebracht, Mieter ist hier aber der KJR Augsburg-Land. Und drittens haben wir dort Räume in Zusammenhang mit Modular angemietet. Dies ergibt sich aus dem mit der Stadt geschlossenen Modularvertrag.

DAZ: Sie sitzen auch mit am Tisch des Kuratoriums. Wer sitzt dort noch? Wie oft tagt das Gremium? Was für eine Funktion hat es?

Brandmiller: Dort stellen der Stadtjugendring, die Stadt und die Mieter jeweils zwei Vertreter. Der Beirat tagt zweimal im Jahr und soll die inhaltliche Arbeit des Kulturpark begleiten. Das Problem dieses Gremiums ist allerdings, dass es aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Situation keinerlei Möglichkeiten oder Befugnisse hat. In einer GmbH kann den Gesellschaftern niemand rein reden. Dies würde der gesellschaftsrechtlichen Logik einer GmbH auch absolut widersprechen. Dieser Beirat war also von Anfang an eine Totgeburt, dies wollte aber im damaligen Regenbogenbündnis niemand sehen. Zwar sollte der Einfluss des Beirats durch Kopplung der städtischen Zuschüsse gestärkt werden. Inwiefern dies allerdings tatsächlich geschehen ist, weiß ich nicht.

DAZ: Das hört sich so an, als wünschten Sie sich eine ganz andere Organisationsstruktur für den Kulturpark.

Brandmiller: Der Kulturpark kann eine gigantische Chance für die Stadt und ihre kreative Entwicklung sein. Er ist eine große Chance für Stadtentwicklung, Künstler und Kulturschaffenden sowie die Kreativwirtschaft. Ein solches Pfund darf ich als Kommune nicht ohne Not aus der Hand geben und mich so aus allen Möglichkeiten des Gestaltens selbst heraus nehmen.

DAZ: Sie sehen demnach im Nutzungskonzept des Kulturparks ebenfalls sehr viel Luft nach oben. Könnten Sie für unsere Leser ihre strukturellen wie inhaltlichen Vorstellungen zum Kulturpark, die Sie bereits auf dem Modularfestival in den Ring geworfen haben, kurz erläutern?

Städtisch subventionierter Raum: KuPa West

Städtisch subventionierter Raum: KuPa West


Brandmiller: Ich habe auf dem Modularfestival gesagt, dass man eine Institution wie den Kulturpark unter verschiedenen Zielsetzungen gestalten kann. Man kann daraus eine Immobilienbewirtschaftung machen, die Raum möglichst günstig abgibt. Egal an wen. Hauptsache die Zahlen stimmen. Man kann sich aber auch überlegen, wer von dem städtisch subventionierten Raum profitieren soll. Dies können beispielsweise soziale oder kulturelle Ziele sein. Man kann ein solches Zentrum gezielt nutzen, um den Bereich der Kreativwirtschaft in Augsburg zu fördern und hierdurch die Stadt langfristig auch wirtschaftlich stärken. Man kann mit dem Kulturpark Stadtentwicklung befördern, im Sinne einer kreativen Stadt, oder man versucht kulturelle Entwicklungen in der Stadt anzustoßen, in dem im Kulturpark Synergien genutzt werden und Neues entwickelt werden kann. Quasi als innovatives Zentrum städtischer Kultur.

DAZ: Das hört sich ambitioniert an. Womöglich überambitioniert. Peter Bommas – Konzeptdenker der beiden Geschäftsführer des Kulturparks – kennt ihre Positionierung und er sieht eine große Schnittmenge zwischen Ihren Vorstellungen und dem, was er will.

Goerlich: Das stimmt. Er setzt aber auf den Faktor Zeit. Wir sind da wesentlich ungeduldiger.

DAZ: Johannes Althammer von Pro Augsburg, hat sich in seiner Stellungnahme für die DAZ politisch am weitesten aus dem Fenster gelehnt. Er sehe in der ehemaligen Reese-Kaserne eher eine Immobilienverwaltung als ein Kulturprojekt mit Kreativität und Tatendrang. Hat er damit zu scharf geschossen?

Goerlich: Herr Althammer hat einfach überspitzt formuliert, was wir mit mangelnder Umsetzung des eigentlichen Konzepts meinen.



DAZ: Nennen Sie uns doch einfach mal explizit eine „mangelnde Umsetzung“!


Goerlich: Will man in der Kradhalle beispielsweise ein Konzert veranstalten, sind die Bedingungen alles andere als niederschwellig oder gar mit einem kulturellen Ansatz versehen. Es ist meiner Meinung nach auch kein kulturell-veranstalterisches Konzept erkennbar und für viele Kulturschaffende in Augsburg schlichtweg zu teuer – und damit möglicherweise wiederum nur für kommerzielle Veranstalter interessant. Das wäre nun wirklich absurd. Auch hier wäre ein Ansatz „künstlerische Leitung“ notwendig und vernünftig.

Programm der "Kantine"

Programm der "Kantine"


DAZ: Auf dem Kulturparkgelände gibt es drei Gastronomiebetriebe mit kulturell sehr divergierender Programmatik. Den im Abraxas angesiedelten „Raben“, ein Lokal mit bürgerlichem Ambiente, Biergarten und unkomplizierter Live-Bühne, die Jam-Sessions bevorzugt. Den Musik-Club „Kantine“ und das „Bombig“. Das „Bombig“ organisiert ebenfalls Live-Musik. Das Programm wie der normale Betrieb ist eher für die 40 plus X- Generation ausgelegt. Eigentlich ist doch gegen diese breit angelegte Programmstruktur der „Vergnügungsstätten“ nichts zu sagen. Trotzdem bewerten Sie das „Bombig“ kritisch. Was ist der Grund?

Goerlich: Wir waren beide ehrlicherweise noch nicht dort, vielleicht sind wir ja zu jung dafür. Es wäre aber schön, wenn in allen gastronomischen Betrieben des Kulturpark West Raum für spannende, urbane und gerne experimentelle Kunst- und Kulturformen geboten würde. Dies ist uns aus dem „Bombig“ nicht bekannt.

DAZ: Herr Brandmiller, Sie als Kuratoriumsmitglied müssten eigentlich wissen, was im Kulturpark läuft und was nicht. Die „Angebotsstruktur“ umfasst laut der beiden Geschäftsführer Bommas und Lindner mannigfaltige „Kompetenzbereiche“, wie es in einem Konzeptpapier heißt, und dann folgt eine Auflistung von fünfzehn (!) Punkten. Was davon ist real existent , was ist reine Makulatur?

Brandmiller: Zu den Möglichkeiten des Beirats habe ich mich ja bereits geäußert. Ansonsten kann sich zur Umsetzung der Konzepte jeder selbst ein Bild machen. Die Dinge, die entstehen, kommen von den Mietern selber. Diese Sachen könnten sich im Moment aber an jedem anderen Platz der Stadt genauso entwickeln. Dafür bedürfte es dann aber keines Kulturparks. Es kann nicht sein, dass man sich mit Dingen schmückt, die entstanden sind, weil sich dort zufällig die Richtigen getroffen haben.

DAZ: Herr Brandmiller, Herr Goerlich, vielen Dank für das Gespräch.

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Das Interview fand per Mailaustausch statt.

Fragen: Siegfried Zagler.

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