DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Dienstag, 19.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Im Lied werden Traditionen und Menschen lebendig“

DAZ-Interview: Regisseurin Davaa und Sängerin Chahar-Tugchi

Eigentlich wollten Byambasuren Davaa und Urna Chahar-Tugchi im Anschluss an die Präsentation ihres Filmes „Das Lied von den zwei Pferden“ im Thalia-Café für Gespräche zur Verfügung stehen. Aber das schlechteste an Augsburg war mal wieder die Verbindung nach München – sie mussten den letzten Zug erwischen. Die Fragen der DAZ beantworteten sie tags darauf am Telefon.

DAZ: Frau Davaa, was ist wichtig daran, die Mongolei nach den Spuren eines verschollenen Liedes zu durchkämmen, wie Sie das für Ihren Film getan haben?

Davaa: Im russischen Teil der Mongolei haben wir unsere Geschichte gar nicht kennen gelernt. Den Namen Dschinghis Khan durfte man nicht mal aussprechen – das war verboten. Noch mit 18 bin ich ein sozialistisches Kind gewesen, dann kam die Wende, es kam raus, dass alles gelogen war, alles inszeniert, nichts war echt – deshalb müssen wir uns jetzt um die alten Dinge kümmern. Die Vergangenheit zu erforschen – das ist auch für mich persönlich sehr wichtig.

DAZ: Ist die Suche nach einem Lied nicht einfach eine sehr sentimentale Angelegenheit?

Chahar-Tugchi: Sentimentalität gehört dazu – sie ist sehr wichtig. In der Inneren Mongolei haben wir unsere Traditionen hauptsächlich in den Liedern erhalten, sie tragen unsere kulturellen Schätze in sich. Es ist nicht nur kulturell wünschenswert und nützlich, das Alte und das Neue zu verbinden, sondern es ist auch schön und spricht unsere Gefühle an. Die Begegnung mit der Großmutter im Film war für mich ein wahnsinnig bewegender Moment.

DAZ: Waren Ihre Filmtränen denn echt?

Chahar-Tugchi: Ja! Selbstverständlich! Ich spiele nicht, ich bin keine Schauspielerin! Die Tränen waren so echt wie meine jetzigen Gefühle für diese alte Frau echt sind. Auch meine Großmutter war eine fantastische Sängerin und Geschichtenerzählerin …

DAZ: … beruflich?

Chahar-Tugchi: Das Wort „beruflich“ hat nicht die erforderliche Bandbreite. Wir Mongolen singen immer, nicht nur bei Festen, auch bei der Arbeit, im Alltag, einfach immer – unsere Lieder enthalten alles, was wir wissen müssen, unsere gesamte Tradition, unsere Kunst, unsere Kultur.

Davaa: Die Begegnung mit dieser alten Frau war für Urna so, als hätte sie ihre Großmutter wiedergefunden. Das war sehr bewegend, die beiden haben sich sehr lange und intensiv unterhalten.

DAZ: Ein Lied zu retten – ist das für Sie womöglich ähnlich bedeutsam wie ein Leben zu retten?

Chahar-Tugchi: Es ist schön, dass sie das sagen, denn genau so empfinde ich es. In dem Lied, dessen Strophen wir wieder zusammengefügt haben, werden Traditionen und auch Menschen wieder wach und lebendig, die sonst für immer verloren wären. Ich denke dabei natürlich an meine Großmutter, aber es geht um unendlich viel mehr.

» Tränen für eine versunkene Zeit