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Donnerstag, 21.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Taxi-Affäre: Alle fühlen sich im Recht

Auftakt im Prozess gegen Tobias Schley und zwei Mitangeklagte

„Versuch der räuberischen Erpressung u.a.“ lautete der Vorwurf, der am gestrigen Montag im großen Schwurgerichtssaal im Justizgebäude in der Gögginger Straße 101 vor 40 Zuhörern unter dem Vorsitz von Amtsrichter Michael Nißl verhandelt wurde.

Von Bruno Stubenrauch

Die Eingangshalle im Justizgebäude in Göggingen

Die Eingangshalle im Justizgebäude in Göggingen


Drei Angeklagten, darunter Stadtrat Tobias Schley (CSU), wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, eine Taxiforderung von fünf Euro für wenige Meter Fahrt nicht bezahlt, den Taxifahrer körperlich bedrängt und beleidigt zu haben und gegen vier Türsteher, die in den Streit eingriffen, handgreiflich geworden zu sein. Gestern gaben – jeweils verlesen durch ihre Verteidiger – die drei Angeklagten eine ausführliche Schilderung des verhängnisvollen Abends im Dezember 2011 ab. Außerdem wurden in der fast siebenstündigen Verhandlung der Taxifahrer, die vier Türsteher und ein unbeteiligter Zeuge zu dem Vorfall vernommen, der sich um fünf Uhr früh an einem Sonntagmorgen in der Nähe des Königsplatzes abgespielt hat.

Schilderungen gehen weit auseinander

Die – jeweils für sich gesehen plausiblen – Schilderungen waren nur in wenigen Punkten zur Deckung zu bringen. Fest steht jedenfalls, dass der Jüngste des Trios ein Taxi bestieg und als Fahrtziel Lechhausen angab. Einige Sekunden später korrigierte der Mann, der erst wenige Monate vor dem Vorfall von Lechhausen nach Gersthofen umgezogen war und „einfach nach Hause“ wollte, sein Fahrziel und sagte: „Ah, ich muss ja nach Gersthofen“. Dies passte allerdings nicht zu den Plänen des Taxifahrers, der sein Fahrzeug im Herrenbach an die nächste Schicht übergeben wollte und dies bereits vor dem Auflesen des Fahrgastes angekündigt hatte. Auf den Hinweis des Fahrers, er könne nicht nach Gersthofen fahren, verabschiedete sich der Fahrgast nach 30 bis 50 Metern Fahrt mit den Worten „alles klar, servus“ und stieg aus dem Taxi, ohne zu bezahlen. Übereinstimmung herrschte auch noch darüber, dass der Taxifahrer fünf Euro wollte, dem Fahrgast nacheilte und ihn festhielt, dieser sich losriss und zu seinen beiden Begleitern zurückkehrte.

Von seiner Unschuld überzeugt: Stadtrat Tobias Schley auf der Anklagebank

Von seiner Unschuld überzeugt: Stadtrat Tobias Schley auf der Anklagebank


Ab diesem Zeitpunkt gehen die Aussagen auseinander. So blieb gestern unklar, ob der Taxameter eingeschaltet war, ob und welche Beleidigungen gefallen sind und ob der Taxifahrer geschlagen und gewürgt oder nur geschubst wurde. Übereinstimmend fand er sich jedenfalls auf dem Boden wieder und das Trio entfernte sich. Weit kam es jedoch nicht, da der Taxifahrer vier Türsteher eines nahe gelegenen Clubs bat, die drei bis zum Eintreffen der inzwischen verständigten Polizei festzuhalten. Über das „Festhalten“ gab es widersprüchliche Schilderungen. Sowohl ein Türsteher als auch zwei der Nachtschwärmer wollen jeweils als erste gegnerische „Fäuste im Gesicht“ gehabt haben. Übereinstimmung herrschte nur darin, dass sich die beiden Begleiter von Tobias Schley, die Vater und Sohn sind, auf dem Boden wiederfanden, wo sie von den Türstehern bis zum Eintreffen der Polizei „fixiert“ wurden.

Alle fühlen sich im Recht

Gemeinsam war den unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten vor allem eines: Jeder fühlte sich absolut im Recht. „Mir ging es nicht um die fünf Euro, sondern darum, gerecht behandelt zu werden“, so der Taxifahrer. „Ich war der festen Überzeugung, dass Herr D. junior keine Vergütung schuldet und dass die Türsteher die Angelegenheit nichts angeht“, so Tobias Schley. „Die Aggression ging vom Taxifahrer aus“, gab der junge Fahrgast an. Die Türsteher wiederum waren fest überzeugt, dass der Taxifahrer um sein Entgelt „geprellt“ werden sollte und sie zum Festhalten des Trios berechtigt waren.

Indiz dafür, dass vor allem Tobias Schley von seiner Unschuld überzeugt ist, war am gestrigen Verhandlungstag, dass Schley von Verteidiger Dr. Richard Beyer seine Bereitschaft erklären ließ, im Lauf der weiteren Verhandlung „auf jede Frage zu antworten“. Zuvor war ein „Deal“, eine Einigung der Verfahrensbeteiligten mit dem Gericht, gescheitert, wie Richter Nißl nach der ersten Verhandlungsunterbrechung mitteilte.

Entscheiden Sekunden über die Fahrpreisforderung?

Möglicherweise entscheiden nun die Sekunden im Taxi, während der der Fahrgast sein Ziel wechselte, der Taxifahrer aber schon den Taxameter eingeschaltet haben und losgefahren sein will, darüber, ob es überhaupt eine berechtigte Fahrpreisforderung gab. Falls nein, würde auch der Vorwurf der versuchten räuberischen Erpressung in sich zusammenfallen, wie der DAZ seitens der Verteidigung bestätigt wurde. Möglicherweise bleibt dann nur eine Reihe von gegenseitigen, mehr oder weniger gewaltsamen Handlungen und von Beleidigungen, bei denen sich die Zeugen gestern schon schwer taten, sie zu erinnern und bestimmten Personen zuzuordnen.

Wie schwer es ist, sich nach fast einem Jahr noch genau zu erinnern, zeigte gestern die Schilderung der Rückgabe der heruntergefallenen Brille des Taxifahrers: Sowohl Tobias Schley als auch der unbeteiligte Zeuge wollen diese aufgehoben und dem Taxifahrer zurückgegeben haben. Der Taxifahrer sagte aus, sie von Schley erhalten haben. Die Verhandlung wird am heutigen Dienstag, 16. Oktober um 8.15 Uhr im Saal 135 fortgesetzt.