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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Roboter auf dem Hühnerhof – und die Außerirdischen sind wir selbst

Endlich wieder: „lab30“ von Donnerstag bis Samstag

Von Frank Heindl

Neue Sounds, neue Bilder, neue Maschinen – neue Kunst: Am heutigen Donnerstag, 25. Oktober um 19.30 Uhr beginnt Augsburgs modernstes Festival „lab30“. Das „Kunstlabor“ mit den selbstbewussten Attributen „medial und visionär“ zeigt einmal mehr Medienkunst am Puls der Zeit: oft lustig, meistens nachdenkenswert, immer innovativ und spannend.

Putzig oder unheimlich? David McLellans Roboter bilden einen bizarren Hühnerhof. Aber tun die wirklich nichts?

Ein bisschen hat das Festival eigentlich schon am Dienstag begonnen. Schüler des Holbeingymnasiums haben da eine kleine „Stadtintervention“ veranstaltet: Mini-LEDS, an eine Batterie gelötet und an einen Magneten geheftet, wurden zu sogenannten „Throwies“ – kleine Leuchtkäfer, die nun an diversen metallischen Stellen der Stadt haften und dort wohl noch ein paar Tage für Verwunderung sorgen werden. Am Donnerstag ab 11 Uhr wird auch ein anderer Ort der Stadt zur Open-Air-Filiale von „lab30“: Unter den Schrannen am Moritzplatz stehen dann vier mit CD-Playern und Kopfhörern bestückte große, weiße Kisten, an denen man sich ein „Wohlklängchen“ abholen kann. Die Hörstationen wollen eine „akustische Auszeit“ bieten, die Sounds tragen verlockende Namen wie „Champagner“ oder „Zartbitter für Fortgeschrittene.“ Wer Augsburg trotz „lab30“ immer noch zu provinziell findet, der kann sich aber mit „World Citizen“ auch Großstadtlärm reinziehen: Bahnhofsgeräusche, Motorradknattern, amerikanische Polizeisirenen…

Im Kulturhaus „abraxas“ (Sommestraße 33) wurde am Mittwoch noch eifrig gehämmert, gelötet und programmiert. „Kommen Sie in einer halben Stunde wieder, dann sind die Roboter fit“, hatte etwa David McLellan gebeten, Nun sind wir wieder da und werden prompt von einer kleinen Roboterschaft umschwärmt. Wie auf dem Hühnerhof kommen sie näher, gackern zwar nicht, blinken aber und zirpen – fast ist man versucht, ihnen ein wenig Futter hinzustreuen. Der Gefühlseffekt ist beabsichtigt: Der Künstler aus London will zeigen, wie autonome und interaktive Automaten im Begriff sind, unsere Gefühle zu erobern und so die Robotertechnologie in Sphären zu heben, die wir bisher nur in Science-Fiction-Filmen belächelt haben. Dabei werden Grenzen überschritten, die auch McLellan ein wenig „sinister“ findet, zu Deutsch: unheimlich. In der Tat sind die possierlichen Fahrzeuge (noch) nicht gefährlich – aber schnell wird dem Betrachter bewusst, dass er die Motivation der „possierlichen Tierchen“ nicht kennt: Man könnte sie sicherlich auch zum Beißen oder gar Schießen „dressieren.“

Hypnotische Mandalas aus leeren Plastikflaschen

Besinnlicher, ruhiger und relaxter geht es bei Diane Landri zu: „Mandalas“ nennt sie ihre beiden „kreisende Kosmen“ aus leeren Plastikkörben und -flaschen. „Ich wollte einfach etwas Schönes machen“, erklärt die Künstlerin – und das ist ihr zweifelsohne gelungen. Die hypnotisch rotierende Lichtinstallation wirft im einen Fall schwarz-weiße, im anderen grüne Muster an die Wand, die sich mal vergrößern, dann wieder zusammenschrumpfen und symmetrische Formen ähnlich wie in einem Kaleidoskop bilden. „They talk about water“, erklärt Landri – nicht zufällig hat sie gebrauchtes Material verwendet, das mit Trinken und Waschen zu tun hat. Im Fall des grünen Musters sind es übrigens Flaschen des französischen „Perrier“-Wassers.

Extraterrestrischer Blick auf die Erde: Pascal Dufaux‘ Kameras beobachten den Kosmos hierzulande.

Extraterrestrischer Blick auf die Erde: Pascal Dufaux‘ Kameras beobachten den Kosmos hierzulande.


Auch Pascla Dufaux kommt aus Kanada. Er war am Mittwoch wenige Schritte von Landri entfernt damit beschäftigt, ein futuristisches Beobachtungsgerät aufzubauen. Seine Installation geht von den Beobachtungsvideos aus, die Raumsonden aus dem fernen Weltall zur Erde schicken. Allerdings kann der „lab30“-Besucher in erster Linien nicht selbst beobachten, sondern wird von Dufaux‘ Kameras beobachtet – und beim Beobachtetwerden kann er sich dann zusehen. Eine der Kameras liefert ihre Bilder mit ca. 15 Sekunden Verspätung – auch das erinnert an die Zeitverschiebung von Mond oder Mars aus und sorgt für zusätzliche Verfremdung. Und für die Erkenntnis: Der Kosmos ist nicht nur „out there“, sondern auch hier bei uns. „The Cosmos in which we are“ heißt die Installation und soll uns selbst aus extraterrestrischer Perspektive zeigen.

Mannshohe Blockflöten, elektronisch verfremdet

Tiefe Bässe: In Antonio Politanos Blockflöten-Ensemble spielen die Paetzold-Flöten eine wichtige Rolle.

Tiefe Bässe: In Antonio Politanos Blockflöten-Ensemble spielen die Paetzold-Flöten eine wichtige Rolle.


Ein musikalisches Großereignis bietet das „lab“ am Eröffnungsabend in Zusammenarbeit mit „Mehr Musik!“: Antonio Politano, Professor für Blockflöte und Kammermusik an der Musikhochschule Lausanne, gastiert mit seinem Blockflötenensemble und eigens für diese Formation geschaffenen Kompositionen. Das Ensemble umfasst elf Blockflötenspieler aus diversen Nationen von der Schweiz bis Portugal, auch eine Augsburgerin ist dabei, Politano selbst ist Sizilianer. Vor einer Woche hat sich das Ensemble auf dem Internationalen Blockflöten-Festival in Amsterdam getroffen – seither wurde jeden Tag intensiv geprobt, am Mittwoch beispielsweise von 10 bis 21 Uhr im abraxas.

Zusätzliche Besonderheit bei diesem besonderen Konzert: In den Partituren haben die sogenannten Paetzold-Flöten eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich um eine kubistische Variante der Blockflöte, mannshoch, klobig, kantig. Zu spielen seien die Instrumente aber, so Politano, „genau wie ganz normale Blockflöten, es sind nämlich ganz normale Blockflöten.“ Allerdings, das muss man wohl hinzufügen, mit tiefem bis ultratiefem Tonspektrum – die größte Paetzold-Flöte ist ein Subkontrabass. Dass die Musik des Ensembles während des Konzerts elektronisch verfremdet wird, ist nicht nur fürs „lab“ geradezu selbstverständlich – sondern auch für Politano. Festes Mitglied des Ensembles ist der Elektroniker Simone Conforti – er samplet, filtert, verlangsamt, beschleunigt oder vervielfacht das Gespielte während des Konzerts, und das ist keine spezielle Zutat, sondern bereits in den Kompositionen so vorgesehen.

Leider hat das Publikum nur einmal die Chance, das „Prime Recorder Ensemble“ zu hören – am heutigen Donnerstag, 25.10. um 21.15 Uhr im Theatersaal des abraxas. Das Festival dauert hingegen noch bis zum Samstag und bietet außer den hier erwähnten Beispielen noch eine Fülle von Installationen, Konzerten, Performances. Weitere Einblicke gibt das Programm unter www.lab30.de. Und Klangbeispiele für die Musik des Blockflötenensembles gibt’s hier: www.politanorecorder.com/audio_M.html.