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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Ein Platz muss für die Menschen da sein, nur für die Menschen“

Fünf Architekten von europäischem Rang beschäftigten sich diese Woche im Rahmen einer Architekturwerkstatt mit der kulturellen Aufwertung der Maximilianstraße durch neue Funktionen und städtebauliche Ergänzungen. Gestern wurde das Ergebnis im Rathaus vor gut 100 Zuhörern und Vertretern aus der Politik präsentiert.

"Gute Stuben": Moritzplatz ...

"Gute Stuben": Moritzplatz ...


Teilnehmer der Architekturwerkstatt, die der Augsburger Club zusammen mit der Bayerischen Architektenkammer, dem BDA Bund Deutscher Architekten und dem SAIV Schwäbischer Architekten- und Ingenieurverein veranstaltete und finanzierte, waren Prof. Christoph Mäckler aus Frankfurt am Main, Prof. Fritz Auer aus München, Volker Staab aus Berlin und die Schweizer Architekten Ivano Gianola und Alois Diethelm.

Christoph Mäckler erläuterte zunächst die räumliche Qualität der historischen Maximilianstraße, die bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts aus einer Sequenz differenter, räumlicher Situationen bestand und deren Straßenraum mittig mit Häusern wir dem Salzstadel am Ulrichsplatz, dem Tanzhaus am Moritzplatz und dazwischen mit einem langgezogenen Siegelhaus bebaut war.

„Historische Situation stadtverträglich wieder herstellen“

... und Ulrichsplatz

... und Ulrichsplatz


Die heutige Maximilianstraße leide neben den nutzungsbedingten Beeinträchtigungen – zu viel Gastronomie beeinträchtige das Wohnen – an der „ungegliederten räumlichen Linearität“ zwischen Ulrichsplatz und Moritzplatz. Die fünf Architekten seien sich schnell in den Grundzügen einig gewesen, die historische Situation stadtverträglich wieder herzustellen, so Mäckler.

Konkret schlugen die Architekten vor, auf den Fundamenten des Salzstadels und des Tanzhauses zwei neue Baukörper entstehen zu lassen. Hierdurch würde der Platzcharakter des Ulrichs- und des Moritzplatzes, die heute nur dem Namen nach bestünden, wieder hergestellt. Neue Stadträume im Sinn einer „Salotto della città“, einer Guten Stube der Stadt, könnten so entstehen, Plätze für Menschen. „Nur für Menschen“ ergänzte Ivano Gianola, dessen Rezept bestechend einfach aussah: „Man muss nur die alte Stadt leben, dann kommt die Lösung von selbst heraus“.

„Eine Straßenbahn verbaut alle Chancen“

"Neue Stadträume" - invertiertes Modellfoto

"Neue Stadträume" - invertiertes Modellfoto


Heftige Kritik übten die fünf Architekten an der geplanten Straßenbahnlinie durch die Maxstraße. Deren Funktion könne auch durch eine Altstadtbuslinie erfüllt werden. „Die Straßenbahn unterstützt die ungegliederte Folge von Räumen und verbaut alle Chancen“, so Volker Staab. Christoph Mäckler sprach sogar von der „Zerstörung eines Juwels“ mit einem Nahverkehrsmittel. Mit einer solchen Altstadt, wie Augsburg sie habe, „45 Meter lange ungegliederte Straßenbahnfahrzeuge“ zu bestellen, sei generell fragwürdig.

Großen Gefallen fand die Architekturwerkstatt am Kopfsteinpflaster und empfahl ansonsten eine „Entrümpelung“ des Straßenbildes. Unbedingt erforderlich sei das Aufstellen einer Gestaltungssatzung, wie sie in vielen anderen Städten üblich sei. Den Individualverkehr wollten die Architekten auf Anlieferung, Anwohner und Kurzparken beschränkt sehen. Der Milchberg sollte als Zufahrt entfallen, Parken sollte im Wesentlichen peripher geschehen. Um die Wohnqualität des Stadtraums Maximilianstraße zu stärken, sollte über ein Nachtfahrverbot nachgedacht werden. Mäckler riet: „Wenn Sie Wohnen erhalten und stärken wollen, führen Sie die Sperrzeit wieder ein“.

„Führen Sie die Sperrzeit wieder ein“

OB Kurt Gribl zeigte sich beeindruckt, wollte sich gestern aber nicht zu den Ergebnissen und Vorschlägen der Architekturwerkstatt positionieren. „Die Menschen in Augsburg stoßen sich an der despektierlichen Situation und wollen Veränderung“, kommentierte er diplomatisch. An die Präsentation schloss sich eine angeregte, vom Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl moderierte Diskussion an. Mit im Publikum: Walter Stiermann, passionierter Augsburger, erfahren im mustergültigen Umgang mit Baudenkmälern. Stiermann gefiel besonders der Begriff „Gute Stube“ für das großräumige Straßendenkmal. Vor einem Jahrzehnt habe man hochtrabend von der „Kaisermeile“ gesprochen, aus der leider eine „Säufermeile“ geworden sei.